Erfahr, wie dein Lebensstil – durch Ernährung, Bewegung, Schlaf und psychische Gesundheit – das Ablesen deiner Gene beeinflusst. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Genetik/Epigenetik zeigen: Du hast mehr Kontrolle über deine Gesundheit, als du vielleicht denkst.
„Die Gene sind die Noten
– aber das Lied schreibst
immer noch du selbst!“
Dr. Bettine Boltres
Wusstest du, dass der Mensch und der Fadenwurm ungefähr die gleiche Anzahl an Genen besitzt?
Derzeit wurden beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans 20.094 Gene identifiziert (1), aus denen er Proteine herstellt. Beim Menschen sind momentan nicht ganz 20.000 Gene bekannt, die für Proteine kodieren (2). Genau genommen sind das also weniger als der Fadenwurm hat. Ist das nicht erstaunlich?
Unsere 20.094 proteinkodierenden Gene stellen geschätzte 1% unseres gesamten Genoms dar. Der überwältigende Rest von ca. 99% sind DNA-Abschnitte, die (nach aktuellem Wissensstand) nicht für Proteine kodieren und damit verschiedene andere Aufgaben übernehmen. Zu diesen anderen Aufgaben zählt zum Beispiel die Regulierung der Gene, also die Entscheidung, welche Gene abgelesen oder nicht abgelesen werden.
Ein Gen – eine Krankheit. Oder etwa nicht?
In den 1990er Jahren hegte die Wissenschaft große Hoffnungen, dass die vollständige Entschlüsselung des menschlichen Genoms ihnen einen direkten Weg zur Heilung von Krankheiten eröffnen würde.
So wurde 1990 das Human Genome Project ins Leben gerufen, an dem Forscher weltweit beteiligt waren. Ziel war es die Sequenzen aller Gene, die wir uns tragen, zu identifizieren (3). Denn wenn wir die Gene kennen, dann können wir ja die defekten Gene einfach reparieren und somit die Krankheit heilen, richtig? So viel zur Theorie. Im April 2003 war es dann soweit: Das menschliche Genom war entschlüsselt! Da sich unsere technologischen Möglichkeiten rapide weiterentwickeln, wurden in den folgenden Jahren immer wieder Korrekturen am Genom vorgenommen.
Doch die anfängliche Hoffnung, dass man nun alle Krankheiten auf genetischer Ebene identifizieren und heilen kann, verflog recht schnell. Mittlerweile weiß man, dass nur die wenigsten Krankheiten rein genetisch bedingt sind. Das sind z.B. Chromosomenanomalien (z.B. Trisomie 21) oder autosomal dominant vererbte Krankheiten (z.B. Chorea Huntington). Die signifikante Mehrheit der heutzutage auftretenden Krankheiten, wie z.B. Diabetes Typ II oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen können zwar eine genetische Komponente haben, das Ausbrechen und der Verlauf der Krankheit werden aber auschlaggebend durch den Lebensstil beeinflusst – also unter anderem Ernährung, Bewegung, Schlaf und Stressmanagement. Und auch wenn eine genetische Komponente besteht, sind meistens eine ganze Reihe von verschiedenen Genen betroffen, was eine mögliche Behandlung allein der Gene praktisch unmöglich macht.
Facts
Eine Hautzelle z.B. muss andere Gene exprimieren als eine Herzzelle oder eine Knochenzelle
Aber kurz nochmal zurück zu den 99% der Gene, die unter anderem für die Regulierung zuständig sind. Dies ist nötig, da die einzelnen Zellen in unserem Körper ja unzählige verschiedene Aufgaben erfüllen. Eine Hautzelle z.B. muss andere Gene aktivieren als eine Herzzelle oder eine Knochenzelle. Und das macht sie über Regulierung, ähnlich wie bei einem Lichtschalter, den man an- und ausschalten kann. Dieser Prozess der Genregulierung ist entscheidend für die Funktion und Gesundheit unseres Körpers und wird durch viele äußere Faktoren wie Ernährung, Bewegung und Schlaf beeinflusst. Dabei ist unser Körper unglaublich kreativ, es gibt zahlreiche verschiedene Regulierungsmechanismen. Hier ein paar prominente Beispiele:
Um unseren langen DNA-Strang so effizient wie möglich zu verpacken, wird er ganz gepackt und um so genannte Histone gewickelt. Histone kann man sich wie Spindeln vorstellen, um die die Wolle aufgewickelt wird. Ist er zu dicht an die Histone gepackt, kann er nicht abgelesen werden. Um die Abschnitte, die abgelesen werden sollen, von den Histonen zu lösen (also die Wolle etwas zu lockern), werden sie mit einer Acetylgruppe versehen. Abschnitte, die nicht abgelesen werden sollen, bekommen eine Methylgruppe. Diese Acetylierungen und Methylierungen reagieren dynamisch auf intra- und extrazelluläre Signale und sind daher in hohem Maße veränderbar. Ein wichtiger Einflussfaktor für die Chromatinmodifikation ist unsere Ernährung. Curcumin, ein Wirkstoff in Kurkuma, kann beispielsweise das Enzym hemmen, das für die Histonacetylierung zuständig ist (4). Dies zeigt, wie stark natürliche Nährstoffe unsere Genaktivität beeinflussen können. Wie immer kommt es hier natürlich auf die Dosis an. Abgesehen von individuellen Anpassungen kann dabei allerdings eine pflanzenbetonte Ernährung als gesundheitsfördernd gesehen werden.
Promotor-Regionen sind Abschnitte auf der DNA, an die bestimmte Proteine (Transkriptionsfaktoren) binden, um die Ableserate des entsprechenden Gens zu beschleunigen oder zu verlangsamen. Jedes Gen hat dabei mindestens eine eigene Promotor-Region. Ein Beispiel für einen Transkriptionsfaktor ist der gut untersuchte große Multi-Protein Komplex bestehend aus Vitamin A mit seinem Rezeptor RXR und Vitamin D mit seinem Rezeptor VDR, der die Ableserate beschleunigt. Interessant dabei ist, dass dieser Komplex in vielen verschiedenen Geweben wirkt. Am bekanntesten ist sicherlich die Erhaltung des Calcium-Gleichgewichts (Ca-Homöostase). Aber dieser Komplex ist auch an der Regulierung verschiedener Gene des Immunsystems, des Zellwachstums und der Differenzierung, und auch des Energiestoffwechsels beteiligt (5). Ein Vitamin-D- oder Vitamin-A-Mangel beeinflusst also systemisch das Ablesen vieler Gene. Diese Vitamine spielen eine zentrale Rolle in der Genregulierung und sind daher entscheidend für die Gesundheit unseres Immunsystems, Knochen und Energiestoffwechsels. Die Auswirkungen, die wir spüren, sind dann Calciummangel in den Knochen, ein anfälligeres Immunsystem, ein weniger effektiver Energiestoffwechsel. Natürlich sind diese auch noch von vielen anderen Faktoren abhängig. Für einen positiven Effekt sollte also eine optimale (nicht ausreichend, sondern optimale) Versorgung mit Vitamin A und D sichergestellt sein.
Zur Zeit sind ca. 1600 Transkriptionsfaktoren bekannt. Weitere Regulatoren auf Genebene sind die Steroidhormone Östradiol, Testosteron, Progesteron, Cortisol, die Mineralkortikoide und das Schilddrüsenhormon Triiodothyronin (T3). Cortisol ist ein Aktivitätshormon, dass vermehrt bei Stress ausgeschüttet wird. Auch hier kann man mit ausreichend optimalem Schlaf und Stressmanagement sowie Ernährung und Bewegung einen signifikanten Beitrag zu seiner Gesundheit leisten.
Ein weiterer Regulierungsmechanismus ist die Methylierung von DNA-Abschnitten. Durch das Anheften einer Methylgruppe an bestimmte Regionen wird das Ablesen von Genen blockiert. Die Methylgruppen, die dazu benötigt werden, werden in einem Kreislauf (Methylkreislauf) herstellt, der in höchstem Maße von den Vitaminen B 6, B 9 und B 12, Magnesium, Zink, Betain und Cholin abhängig ist. Wie immer in der Natur sollte hier ein Gleichgewicht herrschen: Gene, die günstige Auswirkungen auf uns haben, zum Beispiel Tumorsuppressorgene, die das Zellwachstum unterdrücken und somit Tumore am Wachsen hindern, würden wir gerne angeschaltet lassen. Diese sollten also nicht methyliert sein. Während Gene, die weniger günstige Auswirkungen haben, gerne methyliert sein dürfen. Dies sind zum Beispiel Onkogene, die ein unkontrolliertes Wachstum der Zelle begünstigen. Der Zusammenhang zwischen Krebs und dem Methylierungsmuster wurde bereits in zahlreichen Studien gesichert (6).
Eine optimale Versorgung mit Vitamin B6, Vitamin B9, Vitamin B12, Magnesium, Zink, Betain und Cholin ist entscheidend für eine ausgeglichene Methylierung. Dieser Prozess steuert, welche Gene aktiviert oder deaktiviert werden und spielt eine wichtige Rolle bei der Prävention von Krebs und anderen Erkrankungen.
Dies sind nur einige wenige Beispiele, die zeigen, das Gene nicht einfach immer abgelesen werden und einen bestimmten monokausalen Effekt haben. Die Regulierung der Gene ist ein hochdynamischer Prozess, der sicherstellen soll, dass wir immer optimal an unsere Lebensbedingungen angepasst sind.
Was heißt das für dich? Deine Gene legen den Grundstein, aber du selbst hast die Macht, das ‚Lied‘ zu schreiben. Durch einen bewussten Lebensstil – also gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und Stressbewältigung, ein gutes soziales Netzwerk und ein aufgeräumter Geist – kannst du deine Gesundheit langfristig positiv beeinflussen.
Welchen Optimierungsbedarf siehst du bei dir noch?
Willst du erfahren, wie du deine Gene durch Ernährung, Bewegung, Schlaf und Stressbewältigung optimal beeinflussen kannst? Melde dich jetzt für ein unverbindliches Beratungsgespräch und beginne, deine Gesundheit aktiv in die Hand zu nehmen.
Referenzen (alle Links wurden am 14.10.2024 aufgerufen):
- Coke, M. C., Bell, C. A., Urwin, P. E. The Use of Caenorhabditis elegans as a Model for Plant-Parasitic Nematodes: What Have We Learned? Annu. Rev. Phytopathol. 2024, Vol. 62:157-172, https://doi.org/10.1146/annurev-phyto-021622-113539
- Amaral, P., Carbonell-Sala, S., De La Vega, F.M. et al. The status of the human gene catalogue. Nature 622, 41–47 (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-023-06490-x,
- https://www.genome.gov/
- Kang, J.; Chen, J.; Shi, Y.; Jia, J.; Zhang, Y. Curcumin-induced histone hypoacetylation: the role of reactive oxygen species. Biochem Pharmacol 2005, 69, 1205-1213, https://doi.org/10.1016/j.bcp.2005.01.014
- Carlberg C. Vitamin D and Its Target Genes. Nutrients. 2022 Mar 24;14(7):1354. doi: 10.3390/nu14071354. PMID: 35405966; PMCID: PMC9003440, https://doi.org/10.3390%2Fnu14071354
- Nishiyama, A., Nakanishi, M. Navigating the DNA methylation landscape of cancer. Trends in Genetics, 2021, Vol. 37, No. 11, https://doi.org/10.1016/j.tig.2021.05.002